Fremde Besucher – Skulpturen und Zeichnungen von Annette Jauss
Vivien Rathjen M.A.
Die Ausstellung Fremde Besucher in der Galerie Bagnato präsentiert eine Auswahl neuerer
Arbeiten der Künstlerin Annette Jauss. Gezeigt werden kleinformatige Skulpturen und
Gemälde aus den vergangenen Jahren. Charakteristisch für Jauss’ Werk ist eine Ästhetik
der Reduktion, die sich einer dunklen, latent surrealen Bildwelt verdankt – oft beschrieben
als „dunkle Romantik“. Die dargestellten Figuren scheinen aus einem untergründigen Raum
hervorzutreten, als scheue Erscheinungen, die nur zögerlich unsere Wirklichkeit betreten.
Im Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung steht die Frage nach dem Körper
jenseits seiner physischen Oberfläche. Jauss zielt nicht auf Repräsentation, sondern auf
Sichtbarmachung: Ihre Arbeiten operieren nicht mit dem Volumen im klassischen Sinne,
sondern mit der Herauslösung von Form aus Material. Es entstehen Gebilde, die sich im
Zustand des Übergangs befinden – Wesen, die fremd und zugleich eigentümlich vertraut
erscheinen.
Dieses Prinzip der Körperwerdung durchzieht sämtliche Werkgruppen. In ihren
Steinskulpturen wirken die Figuren, als seien sie im Material bereits angelegt gewesen –
wie vergessene Urformen, die sie vorsichtig freilegt und die mal tierhafte, mal archaische
Züge tragen.
In ihren Bronzearbeiten hingegen entfaltet Jauss surreale Bildwelten, die dem
Unterbewusstsein entnommen sein könnten. Formal erinnern sie an Werke von Giacometti.
Doch wo dieser die Zeit modellierte, sucht Jauss nach dem Moment, in dem das Unsichtbare
beginnt, Gestalt anzunehmen.
Auch in den Zeichnungen bleibt der skulpturale Impuls spürbar. Zahlreiche Blätter
entstanden zunächst als Klärungsskizzen im Arbeitsprozess – etwa zur formalen
Entwicklung eines Steins oder eines Wachsmodells. Doch im Verlauf der zeichnerischen
Auseinandersetzung verselbstständigten sich viele zu autonomen Werken mit eigener
innerer Logik. Jauss arbeitet bevorzugt mit Spachtel und Ölfarbe auf Holzträgern und verfolgt
dabei ein prozesshaftes, schichtweises Vorgehen, das dem bildhauerischen Herausarbeiten
verwandt ist. Mit ihrer erdigen, dunklen Farbpalette knüpft sie an die Materialität ihrer
Skulpturen an.
Die Ausstellung umfasst 34 Arbeiten und gibt Einblick in das Werk einer Künstlerin, die in
Stein, Metall und Farbe beständig jene Schwelle erkundet, an der Form zum Körper wird.
SÜDKURIER KONSTANZ
KONSTANZ
Eine stille Komik durchzieht ihr Werk
Die Konstanzer Galerie Bagnato zeigt Bildhauerei und Zeichungen aus 40 Jahren von Annette Jauss
Anlässlich des 60sten Geburtstags von Annette Jauss zeigt die Galerie Bagnato in Oberdorf bei Litzelstetten eine rund 40 Jahre umfassende Retrospektive des zeichnerischen und bildhauerischen Werks der Künstlerin, die in München und Konstanz lebt und arbeitet. In der knapp 60 Exponate zählenden Ausstellung sind zahlreiche Skulpturen und Plastiken aus Stein, Bronze und Eisen zu sehen. Sowie etliche Zeichnungen in Kohle, Mischtechnik und Öl. Gemeinsam veranschaulichen sie eine mit den Schaffensjahren wachsende Radikalisierung von Form, Gestus und Oberfläche.
Wie in der Gegenwartskunst eben auch zu beobachten ist, sperrt sie sich häufig gegen den schnellen Zugriff samt Verortung in einer Schublade – ja, sie stemmt sich allgemein gegen eine ästhetische Verflachung und den schönen Schein. Das gilt auch für die Arbeiten von Annette Jauss. Ihr Werk sperrt und stemmt sich gegen die Oberflächlichkeit.
Vor allem wirken ihre Figuren aus Bronze und Eisen wie gestrauchelte und verletzte Helden. Unübersehbar haftet ihnen allen Makel und Unvollkommenheit an. Sie erscheinen wie Mutanten aus einer universalen Distanz, die sich mit grotesken, skurrilen und nicht selten auch gruseligen Gesten einer menschlichen Betrachtung nahezubringen suchen. Sie buhlen um Achtung und Wertschätzung in einer Welt, die vollgestopft ist mit allerlei verblendeten Idealen und entsprechend hohlen Ritualen. Solchen Idealen etwa von Glaube und Religion, Heimat, Schönheit oder Vollkommenheit. Nichts ist wie es scheint – stets lohnt ein zweiter Blick. Auch wenn dieser unerwünscht oder sogar verboten worden ist.
Es ist wie eine Wunde; Blendung – Verblendung. Im menschlichen Dasein und dessen Entscheidungen ist sie latent und bricht immer wieder auf. In diese Wunde legt Annette Jauss mit ihrem Schaffen den Finger. Mitunter stellt sie dabei ihren Figuren eine stille, unaufdringliche Komik anheim, und sehr wahrscheinlich tut sie das in voller Absicht. So zum Beispiel bei ihren Statuetten „Ehepaar“ aus Bronze (2007) oder „Verliebte Geier“ (2017), ebenfalls aus Bronze. Zunächst mutet der Anblick der beiden Ehepartner zwiespältig an. Ihre figürliche Haltung und Ausstattung mit Tierzahnteilen sowie mit einem Hut, der wie ein Helm wirkt, mögen im Betrachter gruselige Verknüpfungen wecken, einerseits; „Galgenmännlein“ als Werktitel könnte dem Figurenpaar auch gut anstehen. Anderseits ist die situative Komik, die aus dieser figürlichen Plastik hervorscheint, unaufhaltsam. Selbiges gilt auch für die „Verliebten Geier“. – Werke wie diese sind es dann, die die Tragik von Gestrauchelten bei Annette Jauss auf einer höheren Ebene ins Tragisch-Komische wenden.